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Lebensborn in der Literatur - der neue Roman von Ulrike Draesner |
„Es gibt Suchen, bei denen man weiß, was man sucht, und Suchen, beiden man sucht, was man sucht.“ „Die Verwandelten“ ist kein einfaches Buch. Es gibt viele Personen, viele Orte, viele Zeitebenen. Dabei ist es spannend und aufwühlend, es nimmt Lesende mit auf die Reise nach Steinhöring, ins erste Lebensborn-Heim, nach Breslau und später Wrocław, in die Nazi-Zeit, den Krieg und den Nachkrieg. Musste es Lebensborn sein, habe ich Ulrike Draesner gefragt, reichte nicht die Dienstmädchen-Geschichte? Nein. Der Lebensborn war ein Zugriff auf weibliche Körper – und damit meint die Schriftstellerin nicht „Zuchtanstalt“. Dem Lebensborn ging es, so Draesner, um die Produktion von Menschen, für den Krieg, das Schlachtfeld, den Menschennachschub. Mit Hilfe „staatlich geförderter Lügen“, „staatlich gefördertem Kinderbetrug“ – und sozial bemäntelt. Und dann zitiert sie Himmler im O-Ton – sie hat die Quellen studiert. Auch jenseits des Lebensborn-Themas reflektiert Draesner den „Zugriff auf weibliche Körper“: In Adeles Anhängigkeit von ihrem Dienstherrn (der Bogen zur Me-Too-Debatte stellt sich im Gespräch wie von selbst ein), in den Vergewaltigungen am Kriegsende … Selten habe ich eine sensiblere Darstellung dieser Brutalitäten gelesen, in ihrer körperlichen, ihrer seelischen, ihrer sozialen Zerstörungskraft. Aber zurück zum Thema Lebensborn. Vier Monate bleibt Adele im Lebensborn-Heim Steinhöring, dann kehrt sie – gegen die Absprache – mit dem Kind an ihren Arbeitsplatz zurück. Das Mädchen wird geduldet und irgendwie auch geliebt, doch dann geht es nicht mehr: die Chefin macht Druck, die Doppelbelastung zermürbt Adele, und die Angst vor Entdeckung der tatsächlichen Konstellation wächst mit dem Alter des Mädchens. Also wird die mittlerweile Vierjährige zurück ins Lebensborn-Heim gebracht und an ein kinderloses Ehepaar vermittelt. Glühende Nationalsozialisten, die Alissa in eine Gerhild „verwandeln“. Einverstanden. Das darf Literatur wohl – wenn die Basics stimmen. |