Von Gmund über die Alpen nach Vipiteno | |
Eigentlich ist es eine Angeber-Version, für die wir uns entschieden haben: Die Wanderung von Gmund am Tegernsee nach Sterzing in Südtirol wird zur Hälfte mit dem Bus, der Seilbahn und der alten Zillertal-Bahn zurückgelegt. Das erspart uns das Latschen am Straßenrand (es gibt halt nicht überall Wanderwege) – und einige Höhenmeter. Trotzdem: Die 90 km-Strecke, die für unsere Füße übrigbleibt, ist ganz schön anstrengend - und grandios! Zum Beispiel der Steig, der uns am westlichen Ufer des Achensees entlangführt. Ein ständiges Auf und Ab, mit Stufen und hohen Tritten, voll Wurzeln, Fels, Geröll und viel Wasser, das in den See will. Rechterhand üppige Vegetation, links ein steiler Abhang – und ganz unten der türkisblaue See. Wir queren steinige Muren, Almwiesen, kleine Kieselbuchten … Leider ist es zu kalt zum Baden. Oder die Gratwanderung, die nach der Seilbahnfahrt aufs Spieljoch (oberhalb von Fügen) losgeht. Wir sind an der Baumgrenze, mal oberhalb, mal knapp darunter. Mal können wir ganz hinten die Spitzen der Zillertaler Alpen sehen, mal verliert sich der Blick in den Blaubeerbüschen, die uns einen lila Mund und reichlich Vitamine bescheren. Wir passieren mehrere Almen – eine hatte vor Jahren Besuch von „Problembär“ Bruno, der sich (wie es seine Art ist) über die Bienenstöcke hermachte und dann davontrollte. Wenn wir die Inschrift auf der Bären-Skulptur richtig deuten, hat ihm das niemand übelgenommen. Highlight Nummer drei: Der Weg von Hochfügen zum Melchboden. Erstens Superwetter, zweitens Supersicht auf den Alpenhauptkamm, drittens 120 Kühe und Rinder, die mit Rufen und Pfiffen ins Tal getrieben werden. Zwei haben ihre Rangordnung auch am Ende des Sommers noch nicht ausgefochten und rangeln, wer zuerst um die Kurve darf, andere lassen sich von einem leckeren Kraut vom Weg abbringen … Aber sie haben keine Chance: Die beiden Kinder, die mittreiben, rennen im Affentempo heran, schwingen ihren Stock und lassen ihn kurz auf dem Kuhhintern landen … und schon sind sie weiter, die nächste Ausreißerin im Blick. So müsste man in diesem Gelände rennen können! Stattdessen keuchen wir hoch zum Sidanjoch (2127m) und lassen dort erstmal die Beine baumeln. Unter uns die Rastkogelhütte und weiter unten das Zillertal – hinter uns die bimmelnde Herde, die ihre neue Weide erreicht hat. Und noch was von diesem Tag: Die Busfahrt die schmale Zillertaler Höhenstraße hinunter! Zwei Pkw kommen knapp aneinander vorbei, unser Bus zwingt sie an den äußersten Rand oder aus dem Weg. Überhaupt die BusfahrerInnen: Egal ob in Bayern oder Österreich – souveräne, witzige Leute! Ein Hinweis, der in jeden Reiseführer gehört! Die „Überschreitung“ des Alpenhauptkamms ist natürlich der Höhepunkt. Wetter und Sicht wie bei Highlight Nummer drei – was für ein Geschenk! Langer Aufstieg vom Schlegeisspeicher, einer türkisblauen „Talsperre“ auf knapp 2000 Metern, durch ein grünes, wasserdurchbraustes weites Hochtal. Irgendwann hören die Bäume auf, über Wiesen geht’s zur Lavitzalm, die schon von italienischer Seite bewirtschaftet wird. Wir flirten mit den Kälbern, die ihre Mütter vermissen, freuen uns über die Alpschweine, die suhlen und rennen können … Dann liegt ein grandioses Gletscherbachtal vor uns, das vor allem aus Steinen und Wasser besteht. Der Stampflkees (die Österreicher nennen ihre Gletscher Kees!) sieht traurig aus. Er ist auf dem Rückzug und hat dabei an den Seiten hohe Wälle hinterlassen. Das ist seine Markierung, die uns zeigt, wo einmal Eis war. |