Das sind nur ein paar Bücher aus den letzten Jahren ... dabei gibt es ganz unterschiedliche Formen und Wege der Auseinandersetzung ©dsk

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Immer wieder Lebensborn ...
Neue Bücher, neue Genres, neue Projekte
 

Anfang der 2020er Jahre ging es wieder richtig los, mit neuen Projekten zum Thema Lebensborn. In Deutschland – und in unseren Nachbarländern.

Um mit Deutschland anzufangen: Patrick Depuhl und Judy Bailey präsentieren seit 2021 ihr szenisch-musikalisches Programm „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“. Darin geht es unter anderem um Patrick Depuhls Vater, ein Lebensborn-Kind. 2023 ist der Roman „Die Verwandelten“ von Ulrike Draesner erschienen, in dem eine beinahe klassische Lebensborn-Geschichte eine Rolle spielt. Die Ausstellung zum Roman war schon in Stuttgart und Berlin zu sehen und soll demnächst nach Polen weiterwandern. Ebenfalls 2023 hat Dirk Kaesler seine Autobiografie „Lügen und Scham“ veröffentlicht: eine Auseinandersetzung mit dem Schweigen seiner (Lebensborn-)Mutter, der Unbrauchbarkeit seines Erzeugers – und den Folgen für das eigene Leben. In diesen Tagen bringt Dorothee Neumaier ihre Studie über das Lebensborn-Heim "Kurmark" heraus - eine längst überfällige, umfangreiche Arbeit über ein großes Lebensborn-Heim, das in der Auseinandersetzung bisher wenig beachtet wurde.

In seinem Roman „Der Silberfuchs meiner Mutter“ (2021) erzählt der Österreicher Alois Hotschnig von einem „Deutschenkind“ und seiner norwegischen Mutter, die während des Krieges nach Österreich gekommen sind. Womit das Leben für die beiden noch schwerer wird … Das Forschungsprojekt zum Lebensborn-Heim "Wienerwald“ ist jetzt nach 3jähriger Laufzeit abgeschlossen. Eine kleine Ausstellung mit Ergebnissen ist schon unterwegs, ein spannendes Tanz-Theaterprojekt hat in Linz bereits stattgefunden, im Herbst gibt´s eine Abschlusskonferenz, weitere Publikationen sind in Arbeit.

Maja Weiss und Nataša Konc Lorenzutti, zwei slowenische Filmemacherinnen, haben einen Dokumentarfilm produziert, der die Biografien von vier slowenischen „Raubkindern“ erzählt – eine Protagonistin ist Ingrid von Oelhafen. Im Oktober 2023 wurde der Film auf der Frankfurter Buchmesse (Schwerpunkt Slowenien) vorgestellt. Leider haben deutsche Kinos ihn noch nicht im Programm.

Die Niederländerin Angeniet Berkers hat im Frühjahr ein Fotobuch über den Lebensborn herausgebracht. Eine Zusammenstellung aus Bildern von Menschen, Objekten, Gebäuden und Natur und knappen, informativen Texten. International aufgestellt - deshalb auf Englisch. Michael Schuling, ein Lebensborn-Enkel, schreibt schon länger einen Blog, den er nicht nur als Informations-, sondern auch als Recherche-Instrument nutzt. Ihn treibt der unbekannte deutsche Großvater um (RAD-Feldmeister, Angehöriger der Waffen-SS), der im Krieg in den Niederlanden stationiert war und dort ein (Lebensborn-)Kind gezeugt hat.

In Frankreich hat der Lebensborn-Enkel Matthieu Niango mit „Les petits chevaux“ ein Theaterstück angestoßen, das sich um die Geschichte seiner Mutter dreht. Sie ist im belgischen Lebensborn-Heim zur Welt gekommen. Im Zentrum des Romans "La Pouponnière d´Himmler" von Caroline De Mulder steht eine junge Französin, die ein Baby von einem Deutschen bekommt und in Steinhöring entbindet. Aber das Kriegsende ist absehbar, das Drama ist vorgezeichnet. Für das Thema Lebensborn ist die Grafic Novel „Ça devient rare
comme race“ von Isabelle Maroger ein neues Genre. Darin erzählt und zeichnet sie die Geschichte einer Entdeckung: Dass ihre Mutter norwegische Wurzeln hat, das ist bekannt. Dass sie ein „Deutschenkind“ ist, kommt erst Jahrzehnte später ans Tageslicht … Dank der witzig-sprühenden Zeichnungen lässt sich das Buch auch mit Minimal-Französisch lesen! Leider reproduziert es einige der bekannten "Gerüchte" ...

Die polnische Germanistin Joanna Bednarska geht das Thema auf einer Meta-Ebene an. In ihrer Habilitation will sie die Lebensborn-Literatur in den Blick nehmen, angefangen von Will Bertholds „Tatsachenroman“ (1975) über Judith Kuckart (1994), Rebecca Abe (2008) bis zu Draesner und Hotschnig. Auch Autobiografien, Biografien, Sachbücher und Dissertationen will sie einbeziehen - und Quellen, zum Beispiel die Himmler-Reden, in denen er über Lebensborn spricht. Da wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die Arbeit fertig ist.

Last not least: Ein Podcast. Amelia Freelander, eine in Berlin lebende Australierin, produziert momentan eine zweiteilige Folge über die Geschichte von Ingrid von Oelhafen, als Kind aus Slowenien verschleppt, via Lebensborn bei einer deutschen Pflegefamilie gelandet.

Fazit: Es sind vor allem Frauen, die sich mit dem Thema Lebensborn auseinandersetzen – vor allem junge Frauen. Genre-Favorit ist nach wie vor der Roman, aber gleichzeitig wird mit Formaten experiment, mit Bühnenprogramm und Theaterstück, Fotobuch, Grafic Novel, Blog und Podcast ...sicher geeignet, um junge Leute zu erreichen!

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